Zum Hauptinhalt springen

Teilen:

Get Back: Falsche, anonyme Rassismus-Vorwürfe gegen Paul

In einer Bootleg-Version von "Get Back" ging es um Pakistani, die anderen den Job wegnähmen. Das war Satire - und Aufhänger für anonyme Rassismus-Vorwürfe.

OLDIE ANTENNE ANTENNE BAYERN GmbH & Co. KG
Die vier Beatles sitzen vor einem weißen Auto Bruce McBroom/Apple Corps LTD/dpa
  • Titel: Get Back
  • Interpret: The Beatles
  • Veröffentlicht: 1969
  • Länge: 3'15

Nein, "Get Back" ist kein rassistischer Song. Nein, auch eine Bootleg-Version, in der es um Pakistani geht, ist nicht rassistisch. Ja, schon 1969 gab es erste Vorfahren woker Sprachpolizei. Und man kann noch so viel suchen: Der Rassismusvorwurf findet sich nur anonym. Womöglich haben Medien ihn erfunden. 

Die Beatles waren eindeutig auch eine politische Band. Und es war nie so, dass nur John politisch war. Mit seinen Protest-Statements, seinem Bed-In für den Weltfrieden und seinen linken Texten auf seinen Solo-Alben war er nur der aktivistischste der vier. George hatte Bangla Desh ins Herz geschlossen, reiste immer wieder in das Land und organisierte Spendenaktionen und ein Benefiz-Konzert. Oder Ringo Starr, der Jahre später noch geflasht war vom "Summer of Love" 1967 und sagte: „Es war eine fabelhafte Zeit. Ich bin sogar jetzt noch aufgeregt, wenn ich realisiere, dass es das ist, wofür es war: Frieden und Liebe, Menschen, die Blumen in Waffen stecken.“

Paul äußerte sich auch politisch - mit seiner Kunst

Auch Paul war immer ein politischer Mensch, aber er drückte sich anders aus, nämlich künstlerisch in seinen Songs. Und einer flog ihm lange um die Ohren: Get Back, veröffentlicht auf dem Album Let It Be. Der sei rassistisch, hieß es. Hieß es. Wer den Song rassistisch empfand und wer den Vorwurf in die Welt setzte lässt sich nämlich nicht bis zum Ursprung zurückverfolgen.

Vermutlich war es so: Irgendjemand, vielleicht ein Redakteur einer Zeitung oder eines Magazins, bekam den Text einer Bootleg-Version von Get Back in den falschen Hals. Da heißt es in einer Textzeile: "Don't dig no Pakistani / taking all the people's jobs". Deutsch: Steh' nicht auf Pakistanis, nehmen aller Leutens Jobs.

"Steh' nicht auf Pakistani / nehmen aller Leutens Jobs"

Und in einer anderen Version lautet der Vers:

"Meanwhile back at home too many Pakistanis
Living in a council flat
Candidate Macmillan, tell us what your plan is
Won’t you tell us where you’re at?"

Das war böser Sarkasmus und genau das Gegenteil von Rassismus. Genau zu dieser Zeit gab es in England eine erbitterte Debatte über Zuwanderer aus dem indischen Subkontinent (die im Prinzip bis heute andauert). Aber trotzdem wurde der Vorwurf des Rassismus gegen Paul laut. Wurde laut, wie von selbst. Man kann Quellen suchen wie man will, es findet sich niemand, der sich als Urheber des Vorwurfs dingfest machen lässt. Zeitungsartikel, Online-Texte, der Vorwurf ist  nur in der Passiv-Form zu finden. 

Alle, ausnahmslos alle, schreiben: Es wurden Vorwürfe laut, oder so. Niemand, wirklich niemand schreibt: Person XY wirft Paul Rassismus. Weil niemand die Person XY kennt. Weil nämlich Person XY vermutlich gar nicht existiert. 

Paul sagte dazu 1986 in einem Rolling-Stone-Interview:

Paul McCartney unscharf in einem Spiegel

When we were doing Let It Be, there were a couple of verses to ‘Get Back’ which were actually not racist at all – they were anti-racist. There were a lot of stories in the newspapers then about Pakistanis crowding out flats – you know, living 16 to a room or whatever. So in one of the verses of ‘Get Back’, which we were making up on the set of Let It Be, one of the outtakes has something about ‘too many Pakistanis living in a council flat’ – that’s the line. Which to me was actually talking out against overcrowding for Pakistanis…

Paul McCartney

Und womöglich ist die wahre Geschichte eine, die genauso heute immer noch oder erst recht passieren könnte: Vielleicht hat ein Zeitungs-, Zeitschriften- oder Agentur-Autor sich selber an der Zeile gestört oder sie nicht verstanden und schrieb dann, es gebe Rassismus-Vorwürfe gegen McCartney. Weil es ihn störte. Einfach als verkappten Kommentar. Was dann ein anderer einfach abschrieb. Und dann ein dritter. Und so weiter. So dass jahrelang in der Welt herumschwirrte, McCartney sei womöglich rassistisch. So schnell kann es gehen. 

Tatsächlich bedeutete"Get Back": Back to the Roots!

Außerdem geht es in Get Back tatsächlich um etwas völlig anderes. Die Beatles hatten immer ausgefeiltere Songs geschrieben und immer aufwändiger produziert. Get Back war ein Signal, zurückzufinden zu den Ursprüngen. Einfacher, klarer, rockiger, weniger schwülstig. Paul selber formulierte es in einem Pressetext für die Plattenfirma so:

It’s the first Beatles record which is as live as live can be, in this electronic age. There’s no electronic whatchamacallit. ‘Get Back’ is pure spring-time rock number.

Paul McCartney

Die erste Beatles-Platte so live, wie eine Platte im elektronischen Zeitalter nur live sein kann. Eine pure Frühlings-Rocknummer. 

Und natürlich mit dem typischen McCartney-Twist im Text. Da kommt ein gewisser Jo Jo drin vor. Alle möglichen Leute behaupteten dann, sie seien mit Jo Jo gemeint oder wüssten, wer gemeint sei. Alles Quatsch. Der Typ Jo Jo ist eine komplette Erfindung von Paul, wie er dem Journalisten Barry Miles verriet.

Many people have since claimed to be the Jo Jo and they’re not, let me put that straight! I had no particular person in mind, again it was a fictional character, half man, half woman, all very ambiguous. I often left things ambiguous, I like doing that in my songs.

Paul McCartney

Vier Fakten über "Get Back"

Als Urheber von Get Back firmieren "The Beatles With Billy Preston". Billy Preston war ein amerikanischer Sänger und Pianist, der die Beatles auch bei vielen anderen Aufnahmen verstärkte und als Solokünstler weltweit erfolgreich war.

Als die Beatles sich daran machen, Songs für ihr Album Let It Be aufzunehmen, da fehlten ihnen Konzept und Ideen. Paul fing dann an, zu improvisieren und Get Back mehr oder weniger vor sich hinzusingen. Und tada, der Song war da.

Am 30. Januar 1969 spielten die Beatles einige Songs auf dem Dach des Gebäudes ihrer Plattenfirma Apple. Get Back war der erste Song. Sie spielten ihn drei Mal.

John veralberte den Einstieg in die zweite Strophe so:

„Sweet Loretta Fart
she thought she was a cleaner
but she was a frying pan“ 

Deutsch übersetzt:  

„Süß' Loretta Pups,
die hielt sich für ne Putzfrau
war aber nur ne Brat-Pfanne."

In der Abmischung von Phil Specter ist Johns Scherz auch zu hören - und außerdem, wie John sich am Ende bei den Zuhörer "des Vorspielens" bedankt, ein kleiner Fußtritt an die Plattenfirma Decca. Die hatten die Beatles 1962 nach einem Vorspielen abgelehnt, statt ihnen einen Plattenvertrag zu geben, was die vermutlich größte Fehlentscheidung der Musikgeschichte seit der Erfindung des mittelalterlichen Minnesangs war.

"Get Back" in der totalen Blödelversion mit deutschem Text...

... aber original von den Beatles!